WELTER-BÖLLER MAGAZIN

Wie Spat und Sattelprobleme zusammenhängen können!

Spat – auch durch ein Sattelproblem?

Ist ein Sattelproblem begrenzt auf die Sattellage oder sind die Folgen, neben den bekannten Rittigkeitsproblemen, im Pferdekörper sehr viel weitreichender?
In der Osteopathie spricht man von Ursache- Folge-Ketten die durch ein lokales Problem ausgelöst werden können und diese entstehen bei einem unpassenden Sattel über das Fasziensystem in großem Unfang.

Was sind Faszien?

Das Fasziengewebe wird gerade jetzt in seiner Wichtigkeit für den Körper entdeckt und seine Funktion rückt immer mehr in den Mittelpunkt des anatomischen und biomechanischen Verständnisses. Auch seine Beeinflussung und seine Behandlungmöglichkeiten werden erforscht und diskutiert.
Das Wort Faszie ist aus dem lateinischen Wort Fascia= Verbund oder Bündel entstanden und das deutsche Wort lautet Bindegewebe. Gemäß dem Internationalen Fascia Research Congress in Boston 2007 sind Faszien:
Alle faserigen Bindegewebsstrukturen, die den Gesamtkörper als ein kontinuierliches Netzwerk durchdringen und umhüllen. Zu den Faszien gehören alle kollagenen und elastisch faserigen Bindegewebe, insbesondere Gelenk- und Organkapseln, Bänder, Muskelhüllen, Membranen, Sehnen, Retinacula (ringförmige Haltehüllen) sowie die „eigentlichen Faszien“ in der Gestalt von flächigen, festen Bindegewebsschichten.
Wichtig ist, dass das Fasziengewebe ein kontinuierliches Gewebenetz bildet, das sich aufteilt und den gesamten Körper mit seinen Strukturen umhüllt und strukturiert. Nur so kann man verstehen, dass es kein lokales Faszienproblem gibt sondern es dabei immer zu weit ausstrahlenden Problemen im Pferdekörper kommen kann.
Der Sattel liegt, drückt und bewegt sich über das Fell und der Unterhaut auf der oberflächlichen Körperfaszie, der Fascia trunci superficialis. Diese große Körperfaszie umgibt das ganze Rumpfgebiet bis zum Ellenbogenhöcker und der Kniefalte. Auf der Rückenoberfläche verschmilzt die oberflächliche Körperfaszie mit der Rückenlendenbinde, der Fascia thoracolumbalis, die als 7cm dicke Gewebsschicht die langen Rückenstrecker schützt und überdeckt. Bei den Menschen konnte man nachweisen, dass die Rückenfaszie dicht mit Schmerzrezeptoren besiedelt ist, deren Reizung für viele Rückenschmerzen verantwortlich ist. Auch ein Pferd mit Sattelproblemen reagiert auf Berührung der Sattellage oder beim Auflegen des Sattels mit einem starken Wegdrücken des Rückens und anderen Abwehrreaktionen wie Ohren anlegen ,in die Luft beissen etc. , so dass man davon ausgehen kann, dass es auch beim Pferd in diesem Bereich eine starke Besiedelung mit Schmerzrezeptoren gibt.

 

Wie reagiert diese Faszie auf Druck und Reibung?

Faszien bestehen zu 63-69% aus Wasser. Ihr Wassergehalt ist abhängig von der in ihr befindlichen Hyaloronsäure, die Wasser bindet und ein zähes visköses Gel bildet sowie von den in der Faszie eingelagerten Zellen, den Proteoglykanen, die wie ein Schwamm Wasser aufsaugen und so den Körper gegen Kompression schützen. Der Druck des Sattels und vor allem das Gewicht des Reiters presst das Wasser aus der Faszie, es bildet sich ein sichtbarer Sattelabdruck au, der auch nach dem Reiten nicht mehr verschwindet. Durch das herausgedrückte Wasser und die Hyaloronsäure verschlechtert sich die Stoffwechsellage in diesem Gebiet , da das Gewebe nicht mehr so gut ernährt wird. Auch erzeugt Reibung und Druck in der Faszie eine vermehrte Kollagenbildung. Das sind Strukturproteine deren vermehrte Einlagerung das Gewebe zugfest aber auch unelastisch und derb macht wie beim Menschen eine Hornhautbildung auf mit Druck belastete Strukturen. So entsteht eine zusätzliche Kompression in diesem Bereich. Es beginnt ein Teufelskreis und die Sattellage regeneriert sich sehr schlecht zudem sie ja auch die ganze Zeit der Schwerkraft ausgesetzt ist. Durch die verminderte Feuchtigkeit in der Faszie verringert sich die Verschieblichkeit der Rückenlendenbinde gegenüber den darunter liegenden Strukturen und es entstehen so Verklebungen, die auch zu einer vermehrten Spannung und einer Bewegungseinschränkung führen können. Bei zu starker Belastung durch schlechte Polsterung des Sattels mit punktuellem Druck oder durch zu lange Ritten können Mikrotraumen, d.h. kleine Einrisse im Gewebe entstehen und deren narbige Heilung verstärken die Unelastizität.

Die thorakolumbale Faszie entspringt an den Dornfortsätzen der Brust und Lendenwirbel und setzt sich sogar bis zu den ersten Kreuzbeinwirbeln fort. So kann man sich den gewaltigen Einfluss auf den gesamten Pferderücken vorstellen. Wenn sie durch einen unpassenden Sattel irritiert wird und sich im Bereich der Sattellage verspannt zieht sie den Rücken besonders im hinteren Bereich der Sattellage in Höhe des 16. Brustwirbel bis zum zweiten Lendenwirbel nach unten da hier die Rippen nicht mehr stabilisieren können und der dritte Lendenwirbel steigt schon wieder in Richtung Kreuzbein an. Der Sattel rutscht in diese Faszien-und Muskellöcher und die Balancefläche für den Sitz des Reiters verändert sich. Um die nach hinten gekippte Sitzfläche zu kompensieren richtet er seinen Rumpf in einer Hohlkreuzhaltung auf. In dieser Haltung ist seine Wirbelsäule genauso in Streckung verriegelt wie die seines Pferdes und ein elastisches Mitschwingen und Abfangen der Vertikalbewegung des Pferderückens ist weniger möglich worauf das Pferd seinen Rücken jetzt noch aktiv wegdrückt, eine Sackgassensituation.

Wenn die Wirbelsäule im Bereich der mittleren Brustwirbelsäule und der vorderen Lendenwirbelsäule in Streckung absinkt ändert sich die Bewegungsphysiologien in den Wirbelgelenken in diesem Bereich bei den Bewegungen Seitneigung und Drehung. Das führt zu einer Stauchung der Gelenke in dem Gipfelpunkt der Streckung die Schmerzen verursachen kann. Das Pferd wird daraufhin mit der Hinterhand weniger Schub entwickeln und nicht weit untertreten. So muss die Vorhand mehr Arbeit leisten für die Vorwärtsbewegung leisten was dort wiederum zu Verschelißerscheininungen in Form von Beugesehnenreizungen, Fesselgelenksproblemen und Hufrollenproblematik führen kann. Wenn die Hinterhand ungenügend Schub entwickelt sich beidseits ein starker M. latissimus dorsi da dieser nun den Rumpf über die Vorhand ziehen muss. Gerade dieser Muskel entspringt aber mit einem breiten Ansatz an der Fascia thorakolumbalis.

Muss der M. latissimus dorsi mehr Arbeit leisten zieht er bei seiner Kontraktion vermehrt an seinem Ursprung und der Rücken wird dabei in Streckung gezogen. Zudem nimmt durch diese Arbeit sein Muskeltonus zu und es entsteht ein konstanter Zug auf der Rückenlendenbinde. Die Muskelverspannung schränkt die Vorführphase der Vorderbeine des Pferdes ein, das Pferd beginnt zu steifen oder kann den Raumgriff nur noch mit weggedrücktem Rücken vergrößern.

Da das Fasziennetz ein Kontinuum ist wird eine vermehrte Spannung der Fascia throakolumbalis auch kopfwärts weitergeleitet in die Widerristfaszie, die Fascia spinocostotransversalis. Da der Brustkorb nicht knöchern mit der Vorhand verbunden ist muss es zwischenzwichen den Schulterblättern und ihm eine stabile und zugleich mobile Aufhängung geben. Diese Faszie, die auch in Höhe des 3. Brustwirbels die starke Widerristbinde bildet, die von einer Körperhälfte zur anderen zieht und somit ein kräftiges Halteband bildet, ist auch der Ursprung des Rumpfträgers, den M. serratus ventralis. Der stark sehnig durchsetzte Muskel bildet die mobile Aufhängung des Rumpfes und stabilisiert das Schulterblatt in allen Bewegungen der Vorhand und fängt den Rumpf wie ein Sprungtuch bei der Landung nach einem Sprung auf.

Eine Verspannung der Fascia thorakolumbalis führt weiterlaufend zu einer Verfestigung der Widerristfaszie und somit auch zu einer Einschränkung der Beweglichkeit des Schulterblattes am Brustkorb. Das kann sich schädigend auf das Fesselgelenk auswirken da der Fesselkopf nach der Durchtrittigkeit in der Belastungsphase nicht ungestört nach oben zurückfedern kann. In der physiologischen Bewegung wird die Streckung des Fesselgelenks nach oben zwischen Schulterblatt und Rumpf aufgefangen indem das Schulterblatt hoch gleitet. Wird dies durch eine verspannte Widerristbinde gebremst erfährt der Fesselkopf bei jedem Schritt eine Stauchung und kann Schaden nehmen.

Die Verspannung der thorakolumbalen Faszie kann sich über die Fascia spinocostotransversalis weiter kopfwärts in die oberflächliche Halsfaszie fortsetzen die ihren Ansatz am Nackenband hat. Häufig sieht man bei Pferden, die mit einem weggedrückten Rücken laufen, eine schlechte Oberlinie im Hals, wenn sie nicht durch eine aushaltende Reiterhand oder durch Hilfszügel künstlich in eine andere Form gebracht werden. Das deutet auf eine zu starke Spannung im Nackenband hin und zeigt sich auch als Unterhals.

Was passiert schweifwärts bei einer irritierten und verspannten Fascia thorakolumbalis durch einen unpassende Sattel?

Schweifwärts setzt sich die Rückenlendenbinde in die Kruppenfaszie fort. Verspannungen sieht man an einer geraden Kruppe mit einem hochgetragenen Schweif. Die Hinterbeine treten nicht weit unter und alle versammelnden Übungen sowie ein geschmeidiges Rückwärtsrichten sind erschwert. Weiterlaufend wird die Oberschenkel- und Kniefaszie gespannt. Die Kniefaszie legt sich wie ein Tragetuch rings um das in Beugung stehende Kniegelenk und sorgt in der Bewegung mit dafür, dass das Gelenk in dieser Haltung stabilisiert wird und nicht nach vorne wegbricht. Wird dieses Tragetuch durch zu viel Spannung fester streckt sich der Kniewinkel etwas. So verändert sich aber gleichzeitig auch der Sprunggelenkswinkel, er wird steiler und es entsteht ein zu gerades Gelenk .In der physiologischen Winkelstellung schiebt sich der Unterschenkel beim Schub über die große und stabile Talusrolle gegen das mächtige Fersenbein und die Vorwärtsbewegung entsteht. Man kann sich dies am besten vorstellen wenn man an einen Sprintstart mit Startblöcken in der Leichtathletik in der Fertigposition vor Augen hat.

Je gerader der Winkel des Unterschenkel zum Sprunggelenk ist je weniger Schub kann sich aus dem Hinterbein entwickeln. Problematisch ist zudem die daraus entstehende unphysiologische Gelenkstellung. Der Unterschenkel schiebt nicht mehr nach hinten unten gegen das große und stabile Fersenbein sondern nach unten in Richtung Fesselgelenk. Jetzt werden die kleinen Fußwurzelknochen belastet, die eigentlich eher eine Pufferfunktion haben. Durch den verstärkten Druck baut der Körper mehr Knochenspangen auf um die Knochen miteinander zu verbinden und so zu stabilisieren. Es entsteht Spat. Der vermehrt nach unten gerichtete Druck des Unterschenkels wirkt sich aber auch negativ auf das Fesselgelenk auf. Es erfährt mehr Kompression nach unten und der Fesseltrageapparat, der Fesselträger und die Beugesehnen werden belastet. Das kann sich anfangs in einer Gallenbildung zeigen aber bei zunehmender Belastung kann sich eine Fesselträgerproblematik entwickeln sowie eine bärentatzige Stellung.

Aus den aufgezeigten Ursache-Folge-Ketten nur über die Faszienzüge wird erkennbar welche verheerenden Folgen eine verspannte Rückenfaszie durch einen unpassenden Sattel hat und wie sich dadurch das Exterieur und die Bewegungsmechanik negativ verändern können.

 

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